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Ich gestehe, traurig oder auch nicht, daß ich ein trockenherziger Mensch bin. Ein Adjektiv bedeutet mir mehr als ein wirkliches Weinen der Seele. Mein Meister Vieira[6] [ …]
Doch bisweilen bin ich ein anderer, dann weine ich Tränen, heiße Tränen wie Menschen, die keine Mutter haben und nie hatten; und meine Augen, die von diesen toten Tränen brennen, brennen im Innern meines Herzens.
Ich entsinne mich nicht meiner Mutter. Sie starb, als ich ein Jahr alt war.[7] Alles Harte und Zerrissene meines Gemüts rührt von dem Fehlen dieser Wärme und von der nutzlosen Sehnsucht nach Küssen, an die ich mich nicht erinnere. Ich bin ein künstliches Wesen. Ich erwachte immer an fremden Brüsten, auf Umwegen gezärtelt.
Ach, die Sehnsucht nach dem Anderen, der ich hätte sein können, zerreißt und erschreckt mich! Welch ein Anderer wäre ich wohl, hätte man mir jene Zärtlichkeit gegeben, die aus dem Bauch kommt und in Küssen Ausdruck findet auf einem Kindergesichtchen?
Vielleicht hat der Schmerz, kein Sohn gewesen zu sein, wesentlich Anteil an meiner emotionalen Gleichgültigkeit. Wer mich als Kind an sein Gesicht drückte, konnte mich nicht an sein Herz drücken. Bis auf sie, die fern war, in einem Grab – sie, die mir gehört hätte, hätte es das Schicksal gewollt.
Später erzählte man mir, meine Mutter sei hübsch gewesen, und es heißt, als man dies erzählte, hätte ich nichts darauf erwidert. Ich war schon reif an Körper und Seele, doch auf Gefühle verstand ich mich nicht, und ihr Ausdruck ließ mich noch nicht an andere, schwer vorstellbare Seiten denken.
Mein Vater, der weit weg lebte, legte Hand an sich, als ich drei war, ich habe ihn nie gekannt.[8] Ich weiß noch immer nicht, weshalb er weit weg lebte. Ich habe mich nie bemüht, es herauszufinden. Ich erinnere mich an die Nachricht von seinem Tod als ein ernstes Schweigen während der folgenden, ersten Mahlzeiten. Ich weiß noch, daß man mich von Zeit zu Zeit ansah. Ich erwiderte diese Blicke und begriff dumpf. Aß darauf manierlicher weiter, für den Fall, daß man mich, ohne daß ich es bemerkte, weiterhin ansah.
All das bin ich, ob ich will oder nicht, in den dunklen Tiefen meiner verhängnisvollen Sensibilität.