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2. 7. 1932


In der strahlenden Vollkommenheit des Tages steht die durchsonnte Luft gleichwohl still. Es ist nicht die drückende Atmosphäre des aufziehenden Gewitters, nicht das Unbehagen der willenlosen Körper, nicht die leichte Eintrübung des wahrhaft blauen Himmels. Es ist eher die spürbare Reglosigkeit, die den Gedanken an Nichtstun aufkommen läßt und leicht wie eine Feder das müde Gesicht streift. Der Sommer hat seinen Höhepunkt erreicht. Das Land lockt sogar den, der sich nichts aus ihm macht.

Wäre ich ein anderer, wäre dies für mich ein glücklicher Tag, denn ich spürte ihn, ohne an ihn zu denken. Ich legte freudig meine normale Arbeit beiseite – die Arbeit, die mir alle Tage als eintönig anormal erscheint. Ich verabredete mich mit Freunden und nähme die Straßenbahn nach Benfica. Wir würden bei Sonnenuntergang im Freien zu Abend essen. Unsere Freude wäre Teil der Landschaft und würde von allen, die uns sähen, als solche erkannt.

Da ich jedoch ich bin, genieße ich ein bißchen das bißchen, das mir vorgaukelt, ich sei dieser andere. Jawohl, er-ich wird sogleich unter Weinranken oder Bäumen doppelt soviel essen, wie ich essen kann, doppelt soviel trinken, wie ich zu trinken wage, doppelt soviel lachen, wie zu lachen ich mir vorstellen kann. Erst er, jetzt ich. Gewiß, einen Augenblick lang war ich ein anderer: Ich sah, erlebte in einem anderen die schlichte tierische Freude, als Mensch in Hemdsärmeln zu existieren. Ein großer Tag, der mich so träumen ließ! Blau und erhaben steht er in der Höhe – wie mein ephemerer Traum, an irgendeinem Feierabend ein rundum gesunder Handelsreisender zu sein.


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