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13. 12. 1932
Seit ich, wann immer ich kann, nachdenke und beobachte, habe ich bemerkt, daß die Menschen weder die Wahrheit kennen noch sich einig sind, was im Leben wirklich wesentlich oder lebenswert ist. Die exakteste Wissenschaft ist die Mathematik, die in der Abgeschlossenheit ihrer eigenen Regeln und Gesetze lebt; angewandt erhellt sie zwar andere Wissenschaften, doch erhellt sie nur, was diese preisgeben, und hilft nicht, es zu entdecken. Bei den übrigen Wissenschaften gilt nur das als sicher oder erwiesen, was für die höchsten Ziele des Lebens ohne Belang ist. Die Physik kennt zwar den Dehnungskoeffizienten für Eisen, nicht aber die wahre Mechanik des Weltgefüges. Und je weiter wir in dem voranschreiten, was wir zu wissen suchen, desto mehr fallen wir in dem zurück, was wir wissen. Die Metaphysik, die für uns der Leitfaden schlechthin sein könnte, da sie und nur sie sich den höchsten Zielen der Wahrheit und des Lebens zuwendet, ist nicht einmal eine wissenschaftliche Theorie, sondern nur ein Haufen Ziegelsteine, mit denen diese oder jene Hände ungestalte Häuser bauen, die kein Mörtel zusammenhält.
Desgleichen habe ich bemerkt, daß Mensch und Tier sich einzig in der Art des Selbstbetrugs und des Verharrens in der Unkenntnis ihrer Leben unterscheiden. Tiere wissen nicht, was sie tun: Sie werden geboren, gedeihen, leben und sterben, ohne wirklich nach-, zurück- oder vorauszudenken. Wie viele Menschen aber leben anders als Tiere? Wir alle schlafen und unterscheiden uns nur in dem, was wir träumen, und in der Intensität und Qualität unserer Träume. Wer weiß, vielleicht weckt uns der Tod, doch auch diese Frage können wir nicht beantworten, es sei denn mit dem Glauben, für den glauben haben heißt, mit der Hoffnung, für die wünschen besitzen heißt, und mit der Nächstenliebe, für die geben bekommen heißt.
Es regnet an diesem kalten, traurigen Winternachmittag, als regnete es bereits seit Weltbeginn so eintönig. Es regnet, und als beuge der Regen meine Gefühle nach vorne, heften sie ihren beschränkten Blick auf den Boden der Stadt, über den Wasser rinnt, das nichts nährt, nichts reinwäscht und nichts erfreut. Es regnet, und ich komme mir mit einem Mal wie ein unendlich bedrücktes Tier vor, das nicht weiß, was es ist, das seine Gedanken und Emotionen träumt, in eine räumliche Region des Seins verkrochen wie in eine Höhle, und das mit ein wenig Wärme zufrieden ist wie mit einer ewigen Wahrheit.