Pedros Pastorale



Ich weiß nicht, wo ich dich gesehen habe noch wann. Ich weiß nicht, war es auf einem Bild oder draußen, auf dem wirklichen Land, Bäume und Gräser zusammen mit deinem Körper; aber es war vielleicht auf einem Bild, so idyllisch und lesbar ist meine Erinnerung an dich. Ich weiß nicht einmal, wann es geschah oder ob es wirklich geschah – denn vielleicht habe ich dich ja nicht einmal auf einem Bild gesehen –, und doch weiß ich mit dem ganzen Gefühl meines Verstandes: es war der friedlichste Augenblick meines Lebens.

Du kamst, leichtfüßige Hirtin, an der Seite eines riesigen, sanftmütigen Ochsen still auf der breiten Linie der Straße daher. Ich habe euch von weitem gesehen, scheint mir, und ihr kamt auf mich zu und gingt an mir vorbei. Du schienst mich nicht wahrzunehmen. Gingst langsam, unachtsame Hüterin des großen Ochsen. Dein Blick hatte alle Erinnerung vergessen, war weite Lichtung eines Seelenlebens; dein Bewußtsein von dir hatte dich verlassen. In diesem Augenblick warst du kaum mehr als ein […]

Als ich dich sah, erinnerte ich mich, daß die Städte sich verändern, das Land aber ewig ist. Man bezeichnet Steine und Berge als biblisch, weil sie wohl sind wie die aus biblischen Zeiten.

Und in dieses flüchtige Bild deines namenlosen Gesichtes lege ich alles, was das Land in mir wachruft, und all der Friede, den ich nie kannte, kommt in meine Seele, wenn ich an dich denke. Dein Gang war ein leichtes Wiegen, ein vages Schwingen, auf jede deiner Gesten ließ sich ein Vogel nieder, und unsichtbare Winden umrankten deine Brust. Deine Stille – der Tag verlosch, Herdenmüdigkeit blökte und bimmelte über die bleichen Hänge der Stunde –, deine Stille war das Lied des letzten Schäfers, das, weil von Virgil in einer nie verfaßten Ekloge vergessen, für immer ungesungen blieb und für immer Silhouette auf den Feldern. Vielleicht hast du gelächelt, für dich nur, für deine Seele, hast dich selbst im Geist lächeln sehen. Doch waren deine Lippen so still wie die Linie der Berge und die von mir vergessene Bewegung deiner bäuerlichen Hände von Feldblumen umkränzt.

Ja, ich habe dich auf einem Bild gesehen. Aber wie komme ich auf den Gedanken, daß ich dich habe näher kommen sehen und wir aneinander vorbeigingen und ich weiter meines Weges ging, mich nicht nach dir umsah, da ich dich immer noch sah und sehe? Die Zeit bleibt plötzlich stehen, um dich vorübergehen zu lassen, und ich tue dir unrecht, wenn ich versuche, dich ins Leben zu holen oder ins Lebensähnliche.


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