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30. 6. 1931
Seit die letzten Regenwolken nach Süden abgezogen sind und nur der Wind zurückgeblieben ist, der sie fortfegte, ist die Heiterkeit der sicheren Sonne zu den Hügeln der Stadt zurückgekehrt, und viel weiße Wäsche hängt und flattert an straff gespannten Leinen oben vor den Fenstern der vielfarbigen Häuser.
Und auch ich war zufrieden mit meinem Dasein. Ich verließ das Haus mit dem einen großen Ziel, rechtzeitig ins Büro zu kommen. Doch heute verband sich der dem Leben innewohnende Zwang mit jenem anderen wohltuenden Zwang, der die Sonne zu den im Almanach vorgesehenen Zeiten je nach Längen- und Breitengrad der verschiedenen Orte dieser Erde scheinen läßt. Ich fühlte mich glücklich, weil ich mich nicht unglücklich fühlen konnte. Ich ging gelassen die Straße hinunter, voller Gewißheit, waren doch das mir bekannte Büro und die mir bekannten Menschen aus diesem Büro ebenfalls Gewißheiten. Kein Wunder, daß ich mich frei fühle, ohne zu wissen wovon. In den Körben auf den Bürgersteigen der Rua da Prata leuchteten die feilgebotenen Bananen strahlend gelb.
Im Grunde bin ich mit wenig zufrieden: zum Beispiel, daß der Regen aufgehört hat und in diesem glücklichen Süden eine prächtige Sonne scheint, daß die Bananen gelber wirken, weil sie schwarze Flecken haben, daß Leute sie verkaufen, weil sie reden können, daß da die Rua da Prata mit ihren Bürgersteigen ist und im Hintergrund der Tejo, blau, grün-golden, und dieser kleine vertraute Winkel im großen System des Universums.
Der Tag wird kommen, an dem ich all dies nicht mehr sehe, an dem mich die Bananen am Rand des Bürgersteiges überleben, die Stimmen der gewitzten Verkäuferinnen und die Tageszeitungen, die der Junge nebeneinander an der Ecke des gegenüberliegenden Bürgersteigs ausgebreitet hat. Ich weiß wohl, daß die Bananen andere sein werden und die Verkäuferinnen und auch die Zeitungen dem, der sich nach ihnen bückt, um sie sich anzusehen, ein anderes Datum als das heutige zeigen werden. Doch sie dauern fort, weil sie nicht leben, auch als andere nicht; ich vergehe, weil ich lebe, auch als der Immergleiche.
Ich könnte diese Stunde durchaus feierlich begehen, mit dem Kauf von Bananen, denn mir scheint die ganze Sonne ist auf sie gefallen wie ein Lichtbündel ohne Quelle. Doch ich scheue mich vor Ritualen, vor Symbolen, vor Käufen auf der Straße. Man könnte mir die Bananen nicht gut verpacken, sie mir nicht verkaufen, wie sie verkauft werden sollten, weil ich nicht weiß, wie man sie kaufen muß. Man könnte sich über meine Stimme wundern, wenn ich nach dem Preis frage. Schreiben ist besser als das Wagnis zu leben, auch wenn leben nichts anderes ist als Bananen in der Sonne kaufen, solange die Sonne scheint und es Bananen zu kaufen gibt.
Später vielleicht … Ja, später … Vielleicht ein anderer … Ich weiß nicht …