Haar – es war ein wenig heller als das Raskolnikows – und fast schwarze, funkelnde Augen, stolz und zu gleicher Zeit oft ungewöhnlich gütig. Sie war blaß, aber nicht krank-haft blaß; ihr Gesicht strahlte vor Frische und Gesundheit. Der Mund war etwas klein, die Unterlippe, frisch und blut-rot, trat ein ganz klein wenig vor, ebenso das Kinn – was die einzige Unregelmäßigkeit in dem schönen Gesicht war, ihm jedoch seine besondere Eigenart und, nebenbei bemerkt, gleichsam ein hochmütiges Aussehen verlieh. Ihr Ausdruck war immer nachdenklich und mehr ernst als fröhlich; doch wie gut paßte dafür ein Lächeln zu diesem Gesicht, wie gut paßte zu ihr ein fröhliches, junges, gelöstes Lachen! Es ist verständlich, daß der hitzige, aufrichtige, ein wenig naive, ehrliche, hünenhaft starke und betrunkene Rasumichin, der niemals etwas Ähnliches gesehen hatte, beim ersten Blick schon den Kopf verlor. Dazu hatte ihm der Zufall wie mit Absicht Dunja zum erstenmal in dem herrlichen Augenblick gezeigt, als sie in der Liebe und Freude über das Wiedersehen mit dem Bruder erstrahlte. Dann sah er als Antwort auf des-sen dreisten, undankbar-grausamen Befehl ihre Unterlippe in Entrüstung zittern – und er konnte nicht mehr wider-stehen.

Übrigens hatte er die Wahrheit gesagt, als er vorhin auf der Treppe in seinem Rausch damit herausgeplatzt war, daß Raskolnikows überspannte Hauswirtin Praskowja Pawlow-na seinetwegen nicht nur auf Awdotja Romanowna, son-dern wohl auch auf Pulcheria Alexandrowna eifersüchtig sein werde. Obwohl Pulcheria Alexandrowna schon dreiundvier-zig Jahre zählte, hatte ihr Gesicht noch immer Spuren ihrer früheren Schönheit bewahrt, und außerdem schien sie viel jünger zu sein, als sie war, was fast immer bei Frauen der Fall ist, die sich Klarheit des Geistes, frische Empfindung und die ehrliche, lautere Glut des Herzens bis ins Alter bewahrt haben. In Parenthese wollen wir hinzufügen, daß die Erhal-tung all dessen das einzige Mittel ist, selbst im Alter die Schön-heit nicht zu verlieren. Ihr Haar begann schon grau und schütter zu werden; strahlenförmige Fältchen umgaben ihre Augenwinkel; ihre Wangen waren eingefallen und mager ge-

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