ten – und all das mit dem Geld dieses Weibes! Bring sie um und nimm ihr ihr Geld, und dann widme dich mit dessen Hilfe dem Ziel, der ganzen Menschheit und der gemeinsamen Sache zu dienen – was meinst du: wird dieses eine winzige Verbrechen nicht durch die Tausende von guten Werken auf-gewogen werden? Für ein Leben tausend Leben, gerettet vor Fäulnis und Untergang; ein Tod und dafür hundertfaches Leben – das nenne ich ein einfaches Rechenexempel! Und wieviel ist denn, alles in allem genommen, das Leben dieser schwindsüchtigen, dummen, bösen alten Frau wert? Nicht mehr als das Leben einer Laus, einer Küchenschabe, und nicht einmal das: denn das alte Weib ist schädlich. Sie frißt frem-des Leben; sie ist böse; unlängst hat sie Lisaweta im Zorn in den Finger gebissen; beinahe hätte man ihn abschneiden müssen!«

»Natürlich ist sie es nicht wert, daß sie lebt«, bemerkte der Offizier; »aber auch die Natur hat ihre Rechte.«

»Ach, mein Lieber, die Natur wird doch auch korrigiert und gelenkt, sonst müßten wir in Vorurteilen ersticken. Ohne das hätte es keinen einzigen großen Menschen gegeben. Man sagt: ,Pflicht, Gewissen' – ich will nichts dagegen einwenden, aber was verstehen wir denn unter Pflicht und Gewissen? Halt, ich will dir noch eine Frage vorlegen. Höre!«

»Nein, höre du; jetzt will ich dich etwas fragen!«

»Und?«

»Du redest so schön daher wie ein Redner, aber sag mir das eine: könntest du selber die alte Frau umbringen oder nicht?«

»Natürlich nicht! Ich spreche nur davon, daß es gerecht wäre ... Ich habe damit nichts zu tun ...«

»Und ich finde, daß hier von Gerechtigkeit keine Rede sein kann, solange du nicht selbst zu einer solchen Tat bereit bist! Komm, spielen wir noch eine Partie!«

Raskolnikow war außerordentlich erregt. Natürlich war das ein ganz gewöhnliches Gespräch, und ähnliche Gedanken hatte er schon mehr als einmal unter jungen Leuten erörtern hören, nur in anderer Form und über andere Themen. Aber warum hatte es sich so gefügt, daß er gerade jetzt ein solches Gespräch und solche Gedanken hatte mit anhören müssen,

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