»Auf der Straße war es drückend heiß. Dazu war es schwül; es herrschte Gedränge; überall lagen Kalk und Ziegelsteine umher, standen Baugerüste, es war staubig, und jener besondere som-merliche Gestank erfüllte die Luft, den jeder Petersburger so gut kennt...« (S. 8); und später: »Auf der Straße herrschte wieder unerträgliche Hitze; wäre nur in all diesen Tagen ein einziger Tropfen Regen gefallen! Wieder gab es Staub, Ziegel und Kalk; wieder drang der Gestank aus Kaufläden und Gasthäusern ins Freie...« (S. 123). Im Handlungszusammenhang soll damit na-türlich die beklemmende Atmosphäre markiert werden – man kann in solchen Passagen aber auch als historische Information Indizien für die Expansion Petersburgs mit all den dazugehöri-gen sozialen und hygienischen Problemen einer überstürzten Modernisierung, das Chaos der permanenten Baustelle herausle-sen. Zu diesem Bild gehören auch die Hinweise auf die vielen Handwerker, für die es in einer solchen Stadt einen großen Bedarf gab: »... und die vor allem aus Handwerkern bestehende Bevölkerung, die sich in diesen ärmlichen Petersburger Straßen und Gassen zusammendrängte« (S. 9); »Vor den Garküchen in den unteren Stockwerken, auf den schmutzigen, stinkenden Höfen des Platzes, besonders aber vor den Kneipen hatten sich viele Handwerker und zerlumpte Leute der verschiedensten Art eingefunden« (S. 81). Daneben werden aber auch häufig Bauern (krestjanje) erwähnt, die sich in der Großstadt aufhalten – auch der Anstreicher Nikolaj Dementjew, der sich fälschlicherweise der Mordtat bezichtigt, seine Freunde und Bekannten, die ihn angezeigt haben, sind solche Bauern, sogar ihre Herkunft aus Sarajsk wird angegeben. Daran läßt sich das Problem der Land-flucht als Kehrseite der starken Expansion der Stadt ablesen. Dostojewskij beschreibt die Physiologie der Großstadt Petersburg präzise und detailreich, ohne daß es je zum Selbstzweck würde oder in den Vordergrund rückte: Das bunte Treiben in den Straßen, die Bettler, das fahrende Volk, die vielen Betrunke-nen, die entsprechend zahlreichen Kneipen, auch die anderen »Etablissements«, die Obdachlosenasyle, vieles, was wir heut-zutage aus der Dritten Welt kennen, etwa auch solche »regel-rechten Gewerbe«, wie das Sich-vor-Droschken-Werfen, um Schmerzensgeld kassieren zu können (S. 148). Die häßlichen

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