Volke: Ich bin ein Mörder!« Er erzitterte am ganzen Leib, als er sich dessen entsann. Und der hoffnungslose Schmerz und die Unruhe dieser ganzen Zeit, besonders aber der letzten Stunden, lasteten so drückend auf ihm, daß er sich gerade-zu gierig in dieses frische, neue, volle Gefühl stürzte, das sich da vor ihm auftat. Wie ein Anfall hatte es ihn plötzlich gepackt; es war in einem einzigen Funken in ihm aufge-sprüht und hatte ihn jäh wie ein Feuer ganz erfaßt. Mit einem Schlag wurde alles in ihm weich und sanft, und die Tränen schössen ihm in die Augen. Er stürzte zu Boden ...

Er kniete mitten auf dem Platz nieder, neigte sich tief und küßte inbrünstig und voll Glück die schmutzige Erde. Er stand auf und verneigte sich ein zweitesmal.

»Der hat aber geladen!« bemerkte ein Bursche neben ihm.

Gelächter klang auf.

»Er pilgert nach Jerusalem, ihr Lieben, und nimmt jetzt Abschied von den Kindern und der Heimat; er verneigt sich vor aller Welt; er küßt die Residenzstadt St.Petersburg und ihren Boden«, fügte ein angeheiterter Mann aus dem Klein-bürgerstande hinzu.

»Noch ein ganz junges Bürschlein«, warf ein dritter ein.

»Und vornehm dazu!« bemerkte jemand in würdevollem Ton.

»Heutzutage kann man nicht mehr unterscheiden, wer vor-nehm ist und wer nicht.«

Alle diese Äußerungen und Reden hielten Raskolnikow zurück, und das Wort: Ich habe gemordet, das ihm schon auf der Zunge lag, erstarb in ihm. Doch nahm er alle diese Rufe ruhig hin und ging, ohne sich umzublicken, gerades-wegs durch die nächste Gasse zum Polizeirevier. Unterwegs glaubte er wie eine flüchtige Erscheinung eine vertraute Gestalt zu erblicken, doch er wunderte sich nicht darüber; er hatte schon geahnt, daß es so kommen werde. Als er sich auf dem Heumarkt zum zweitenmal zur Erde verneigt und sich nach links gewandt hatte, hatte er in etwa fünfzig Schritt Entfernung Sonja stehen sehen. Sie verbarg sich vor ihm hinter einer der hölzernen Buden, die auf dem Platze standen – offenbar hatte sie ihm auf seinem ganzen

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