Soldaten in die Festung zurückgegangen, um noch irgend-welche Werkzeuge zu holen; der zweite spaltete Holz und heizte den Ofen an. Raskolnikow trat aus dem Schuppen ans Ufer hinaus, setzte sich auf die hier aufgeschlichteten Balken und schaute auf den breiten, einsamen Strom hinab. Das Ufer war steil, und man hatte einen weiten Blick rings ins Land. Von dem fernen gegenüberliegenden Ufer klang leiser Gesang herüber. Dort waren in der vom Sonnenschein übergossenen, unermeßlichen Steppe als kaum wahrnehmbare schwarze Punkte einige Nomadenzelte zu sehen. Da war die Freiheit, und da lebten andere Menschen, die mit den Menschen hier nichts gemein hatten; dort schien sogar die Zeit stillzustehen, als wären die Tage Abrahams und seiner Herden noch nicht vorüber. Raskolnikow saß da und schaute unverwandt in die Weite; seine Gedanken verloren sich in Träume, in Visionen; er dachte an nichts, aber eine schwermütige Sehnsucht erregte und quälte ihn.

Plötzlich war Sonja neben ihm. Lautlos war sie zu ihm ge-treten und hatte sich neben ihn gesetzt. Es war noch sehr früh; die Morgenkühle war noch nicht vergangen. Sonja trug ihren armseligen alten Mantel und ihr grünes Tuch. Ihr Gesicht zeigte noch die Spuren ihrer Krankheit; es war magerer ge-worden, und sie sah schmal und blaß aus. Freundlich und freudig lächelte sie ihm zu, doch wie gewöhnlich gab sie ihm nur schüchtern die Hand.

Sie streckte ihm ihre Hand immer so zaghaft entgegen, und manchmal unterließ sie es auch ganz, als hätte sie Angst, er könnte diese Hand zurückstoßen. Stets hatte er ihre Hand gewissermaßen mit Abscheu genommen, stets begegnete er ihr mit einer Art Ärger, und manchmal schwieg er hartnäckig während ihres ganzen Besuches. Es kam vor, daß sie vor ihm zitterte und tief gekränkt wegging. Doch jetzt lösten sich ihre Hände nicht voneinander; flüchtig und rasch blickte er sie an, aber er sagte nichts und schlug die Augen nieder. Sie waren allein; niemand sah sie. Der Wachsoldat hatte sich ge-rade umgedreht.

Wie es geschah, wußte er selber nicht, aber plötzlich packte ihn gleichsam etwas und warf ihn ihr zu Füßen. Er weinte

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