»Gott ist gnädig; hoffen Sie auf die Hilfe des Allmäch-tigen«, begann der Geistliche.

»Ach! Gnädig ... aber nicht zu uns!«

»Das ist eine Sünde, meine Dame, eine Sünde«, erwiderte der Priester kopfschüttelnd.

»Und das ist keine Sünde?« rief Katerina Iwanowna und zeigte auf den Sterbenden.

»Vielleicht werden sich jene, die ohne ihr Wollen Ursache des Unglücks waren, bereit erklären, Sie zu entschädigen, und sei es auch nur, daß sie Ihnen den Verlust an Einkünften ersetzen ...«

»Sie verstehen mich nicht!« rief Katerina Iwanowna gereizt und winkte ab. »Wofür denn entschädigen? Er ist doch selber, betrunken, wie er war, in die Pferde gelaufen! Und was für Einkünfte? Von ihm hatte ich keine Einkünfte, ich hatte nur Ärger mit ihm. Er hat doch alles vertrunken, dieser Säufer! Uns bestahl er und trug das Geld in die Kneipen. Das Leben der Kinder und das meine hat er in den Schenken zugrunde gerichtet! Gottlob, daß er stirbt! So haben wir weniger Schaden!«

»In der Sterbestunde muß man einem Menschen vergeben; so zu denken ist eine Sünde, gnädige Frau, eine große Sünde!«

Katerina Iwanowna war geschäftig um den Kranken be-müht; sie gab ihm zu trinken, wischte ihm den Schweiß und das Blut vom Kopf, schob seine Kissen zurecht und sprach da-bei mit dem Priester, zu dem sie sich hin und wieder während ihrer Arbeit umwenden konnte. Jetzt fiel sie plötzlich fast wütend über ihn her.

»Ach, Hochwürden! Das sind Worte, nur Worte! Vergeben! Wäre er nicht überfahren worden, er wäre heute betrunken heimgekommen, und er hat nur ein einziges Hemd, ganz abgetragen und in Fetzen, und er hätte sich hingeworfen, um zu schnarchen, und ich hätte bis zum Morgengrauen seine Fetzen und die der Kinder im Wasser spülen können, um sie dann am Fenster zu trocknen und mich gleich zum frühen Morgen hinzusetzen und sie zu stopfen – das wäre meine Nacht gewesen! ... Was für einen Sinn hat es, da von Vergebung zu reden! Auch das habe ich ihm vergeben!«

- 236 -


Загрузка...