dünnen langen Hals, der aussah wie ein Hühnerbein, hatte sie einen Flanellappen gewickelt, und über die Schultern hing ihr trotz der Hitze ein völlig abgetragener, vergilbter Pelz-kragen. Die Alte hustete und krächzte in einem fort. Offen-bar sah sie der junge Mann mit einem auffallenden Blick an; denn in ihren Augen blitzte plötzlich wieder das frühere Mißtrauen auf.

»Raskolnikow, Student; ich war schon vor einem Monat bei Ihnen«, murmelte der junge Mann hastig, während er sich halb verneigte; denn es fiel ihm ein, daß er recht höflich sein mußte.

»Ich weiß, mein Lieber, ich weiß sehr gut, daß Sie hier waren«, sagte die Alte deutlich, ohne ihren fragenden Blick von seinem Gesicht zu wenden.

»Nun also ... ich komme wieder in der gleichen Sache ...« fuhr Raskolnikow fort, ein wenig verwirrt und verwundert durch das Mißtrauen der Alten.

Vielleicht ist sie immer so, und ich habe es damals nur nicht gemerkt, dachte er mit einem unangenehmen Gefühl.

Die Alte schwieg, als dächte sie nach, dann trat sie zur Seite, zeigte auf die Tür, die ins Wohnzimmer führte, und sagte, während sie den Gast vorangehen ließ: »Treten Sie ein, lieber Herr.«

Das kleine Zimmer, das der junge Mann betrat, ein Raum mit gelben Tapeten, mit Geranien und Musselingardinen an den Fenstern, war in diesem Augenblick von der untergehen-den Sonne hell erleuchtet. Auch dann wird die Sonne so scheinen ...! fuhr es Raskolnikow plötzlich durch den Kopf, und mit einem raschen Blick überflog er alle Gegenstände im Zimmer, um sich ihre Lage nach Möglichkeit einzuprägen und zu merken. Aber hier gab es nichts Besonderes. Die Einrich-tung – ausnahmslos sehr alte Möbel aus gelbem Holz – bestand aus einem Diwan mit einer gewaltigen gebogenen Holzlehne, einem ovalen Tisch vor dem Diwan, einem Toi-lettentischchen mit einem kleinen Spiegel zwischen den Fen-stern, Stühlen an den Wänden und zwei oder drei billigen Bildern in gelben Rahmen, die deutsche Damen mit Vögeln in den Händen darstellten. Das war alles. In der Ecke brannte

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