1

Für Raskolnikow brach eine seltsame Zeit an: es war, als hätte sich plötzlich ein Nebel über ihn gesenkt und ihn in eine ausweglose, drückende Vereinsamung eingeschlossen. Wenn er sich später, nach vielen Jahren, dieser Tage erinnerte, ahnte er, daß sein Bewußtsein zeitweise getrübt gewesen sein mußte und daß das mit einigen Unterbrechungen bis zur endgül-tigen Katastrophe so geblieben war. Er war fest davon über-zeugt, daß er sich damals in vielem täuschte, zum Beispiel in der Reihenfolge und der Dauer einiger Ereignisse. Jedenfalls konnte er, wenn er später über diese Zeit nachdachte und seine Erinnerungen zu klären versuchte, vieles über sich selbst nur durch die Aussagen anderer Leute erfahren. Er verwech-selte beispielsweise häufig zwei Ereignisse miteinander; man-ches hielt er für die Folge eines Vorfalls, der nur in seiner Einbildung existierte. Zuweilen befiel ihn eine krankhaft-qualvolle Unruhe, die geradezu in panische Angst überging. Aber er erinnerte sich auch, daß es Minuten, Stunden und vielleicht sogar Tage gab, die erfüllt waren von einer Apa-thie, die ihn gleichsam als Gegensatz zu der früheren Angst überkommen hatte und dem krankhaft-gleichgültigen Zu-stand mancher Sterbender glich. Überhaupt trachtete er sel-ber in diesen letzten Tagen, einer klaren, vollständigen Er-kenntnis seiner Lage auszuweichen; einige Dinge, die drin-gend nach einer unverzüglichen Klärung verlangten, be-drückten ihn ganz besonders; wie froh wäre er gewesen, wenn er sich hätte freimachen und manchen Sorgen tatsächlich hätte entfliehen können! Aber diese Dinge zu vergessen hätte ihn in seiner Lage mit dem endgültigen, unvermeidlichen Untergang bedroht.

Besonders Swidrigailow beunruhigte ihn; man konnte so-gar sagen, daß sein Denken einzig um Swidrigailow kreiste. Seit jenen drohenden und unmißverständlichen Worten, die

- 561 -

Загрузка...