Kopfes und der Ketten: sein Stolz war es, den man tief ver-letzt hatte; er erkrankte aus verwundetem Stolz. Oh, wie glücklich wäre er gewesen, hätte er sich selbst anklagen kön-nen! Dann hätte er alles ertragen, sogar Schande und Schmach. Aber er war streng mit sich ins Gericht gegangen, und sein verhärtetes Gewissen fand in seiner Vergangenheit keine be-sondere Schuld, es sei denn vielleicht einen einfachen Fehl-schlug, der jedem unterlaufen konnte. Er schämte sich einfach dessen, daß er, Raskolnikow, so blind, hoffnungslos, stumpf und dumm, dem Urteilsspruch eines willkürlichen Schicksals zufolge, untergegangen war; daß er sich mit diesem sinn-losen Urteil abfinden und sich ihm fügen mußte, wenn er auch nur ein kleines bißchen zur Ruhe kommen wollte.

Gegenstandslose, ziellose Unruhe in der Gegenwart und in der Zukunft ein einziges, ununterbrochenes Opfer, durch das nichts gewonnen wurde – das war es, was ihm auf Erden bevorstand. Und was bedeutete es, daß er in acht Jahren erst zweiunddreißig Jahre alt war und das Leben von vorn an-fangen konnte? Wozu sollte er leben? Was sich vornehmen? Wonach streben? Sollte er leben, nur um zu existieren? Aber er war doch auch früher schon tausendfach bereit gewesen, sein Dasein für eine Idee hinzugeben, für eine Hoffnung, so-gar für ein Phantasiebild! Das bloße Dasein war ihm immer zuwenig gewesen; stets hatte er mehr gewollt. Vielleicht hatte er sich damals einzig um der Intensität seiner Wünsche willen für einen Menschen gehalten, dem mehr erlaubt ist als den anderen.

Wenn ihm das Schicksal wenigstens Reue geschenkt hätte - brennende Reue, die das Herz zerbricht und den Schlaf verscheucht, eine Reue, bei deren entsetzlichen Qualen man an Strick und Wasser denken muß! Oh, er hätte sich über diese Reue gefreut! Qualen und Tränen – auch das ist ja Leben. Aber er bereute sein Verbrechen nicht. Hätte er sich wenigstens über seine eigene Dummheit erbosen können, wie er früher seiner häßlichen, höchst albernen Handlungsweise wegen, die ihn in den Kerker gebracht hatte, über sich zornig gewesen war! Doch jetzt, im Gefängnis, also in Freiheit, er-wog und bedachte er aufs neue all sein Tun und fand es keines-

- 694 -


Загрузка...