nicht ein Zufall dazwischengekommen, ich säße vielleicht heute schon hinter Schloß und Riegel, ganz gewiß, vielleicht wird man mich sogar noch heute verhaften ... Aber das macht nichts, Sonja, ich bleibe eine Zeitlang eingesperrt, und dann müssen sie mich wieder freilassen ... weil sie keinen einzigen richtigen Beweis in Händen haben; und sie werden auch keinen bekommen, darauf gebe ich dir mein Wort. Und mit dem, was sie aufzuweisen haben, kann man niemanden zur Strecke bringen ... Aber genug davon ... Ich sage dir das nur, damit du es weißt ... Was meine Schwester und meine Mutter angeht, so will ich es möglichst so einrichten, daß ich sie von meiner Unschuld überzeuge und sie nicht ängstige ... Meine Schwester scheint übrigens jetzt versorgt zu sein ... folglich auch meine Mutter ... So, das wäre alles. Sei übrigens vorsichtig. Wirst du mich im Gefängnis besuchen, wenn man mich einsperrt?«

»O ja! Ja!«

Beide saßen nebeneinander, traurig und geschlagen, als wären sie von einem Sturm an ein ödes, einsames Gestade verschlagen worden. Er sah Sonja an und fühlte, wieviel Liebe sie ihm entgegenbrachte, und seltsam, mit einemmal bedrückte ihn ihre Liebe in geradezu schmerzhafter Weise. Ja, es war ein seltsames, ein entsetzliches Gefühl! Als er auf dem Wege zu Sonja gewesen war, hatte er gemeint, alle seine Hoff-nung und sein einziger Ausweg lägen in ihr; er hatte gedacht, wenigstens einen Teil seiner Qualen loswerden zu können; doch jetzt, da sich ihr Herz ihm plötzlich zugewandt hatte, fühlte und erkannte er, daß er nur noch viel, viel unglück-licher geworden war als vorher.

»Sonja«, sagte er, »komm lieber nicht zu mir, wenn ich im Gefängnis bin.«

Sonja antwortete nicht; sie weinte. Es vergingen einige Minuten.

»Hast du ein Kreuz?« fragte sie ihn dann unvermittelt, als wäre ihr das plötzlich eingefallen.

Er verstand zuerst gar nicht, was sie meinte.

»Nein? Du hast keins? Da, nimm dieses hier, es ist aus Zypressenholz. Ich habe noch ein zweites, aus Kupfer; es

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