der auf, stürzte auf ihn zu und umarmte ihn innig ein zweitesmal.

Raskolnikow nannte ihr seinen Namen, gab ihr seine Adresse und versprach, am nächsten Tag bestimmt wieder-zukommen. Das Mädchen ging zurück, ganz begeistert von ihm. Es war elf Uhr, als er auf die Straße trat. Fünf Mi-nuten später stand er auf der Brücke, genau an derselben Stelle, von der vorhin jene Frau ins Wasser gesprungen war.

Genug! sagte er sich entschlossen und feierlich. Fort mit den Trugbildern, fort mit der falschen Angst, fort mit den Gespenstern! ... Das Leben existiert! Habe ich jetzt etwa nicht gelebt? Mein Leben ist nicht mit jener Alten gestorben! Der Herr habe sie selig, und nun – genug damit, liebe Alte, es ist Zeit, daß du zur Ruhe gehst! Jetzt treten Vernunft und Licht ihre Herrschaft an! Und ... der Wille und die Kraft ... Und nun wollen wir sehen! Nun wollen wir unsere Kräfte messen! setzte er hochmütig hinzu, als wendete er sich mit einer Herausforderung an eine dunkle Macht. Und ich war schon bereit, auf einem Klafter Raum zu leben!

... Ich bin jetzt sehr schwach, aber ... es scheint mir, daß meine Krankheit ganz überstanden ist. Ich wußte ja, als ich vorhin die Wohnung verließ, daß ich sie überwinden würde. Übrigens ist Potschinkows Haus zwei Schritt von hier. Ich muß unbedingt zu Rasumichin, mag es auch weiter als zwei Schritt sein ... Soll er doch seine Wette gewinnen! ... Soll auch er seine Freude haben ... Meinetwegen! ... Kraft braucht man, Kraft: ohne Kraft erreicht man nichts, und Kraft muß man durch Kraft erlangen! Das wissen die Leute eben nicht, fügte er in selbstsicherem Stolz hinzu und verließ die Brücke. Er vermochte kaum noch seine Beine zu heben. Stolz und Selbstsicherheit wuchsen in ihm von Minute zu Minute; von Augenblick zu Augenblick war er ein ganz an-derer Mensch. Was war denn eigentlich so Besonderes ge-schehen, was hatte ihn so verwandelt? Er wußte es selbst nicht recht; gleich jemandem, der sich an einen Strohhalm klam-mert, vermeinte er plötzlich, auch er könne leben, es gebe das Leben noch; sein Leben sei nicht mit jenem alten Weib

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