war, nach einer Szene, für die es nur eine einzige richtige Deu-tung gab? Raskolnikow waren während dieser Tage schon oft Bruchstücke der Szene mit Porfirij durch den Kopf gegan-gen; sich den ganzen Auftritt zu vergegenwärtigen hatte jedoch seine Kräfte überstiegen. Während ihrer Unterhaltung waren zwischen ihnen solche Worte gefallen, hatte es solche Bewegungen und Gesten gegeben, hatten sie solche Blicke getauscht, war so manches Wort in solchem Ton gesprochen worden, war das Ganze so sehr auf die Spitze getrieben wor-den, daß nach all dem Nikolka – den Porfirij schon beim ersten Wort und bei der ersten Gebärde durchschaut hatte –, daß Nikolka Porfirij bestimmt nicht in seiner Überzeugung zu erschüttern vermocht hatte.

Und dann! Sogar Rasumichin verdächtigte mich bereits! Die Szene im Korridor bei der Lampe ist damals also nicht spurlos an ihm vorübergegangen. Und da lief er zu Porfirij ... aber weshalb hat ihn der so hinters Licht geführt? Was kann er damit bezwecken, daß er den Verdacht Rasumichins auf Nikolka ablenkt? Nein, er führt unbedingt etwas im Schilde; er verfolgt irgendwelche Absichten, aber welche? Frei-lich ist seit jenem Vormittag viel Zeit vergangen – zuviel, zuviel Zeit –, und Porfirij hat nichts von sich hören und sehen lassen. Nun ja, das ist selbstverständlich ein schlimmes Zei-chen ... Raskolnikow nahm seine Mütze und verließ nach-denklich das Zimmer. Es war der erste Tag in dieser ganzen Zeit, da er sich bei klarem Bewußtsein fühlte. Ich muß mit Swidrigailow zu einem Ende kommen, dachte er; um jeden Preis und so rasch wie möglich; Swidrigailow wartet anschei-nend, daß ich zu ihm komme. Und in diesem Augenblick stieg in seinem müden Herzen plötzlich solcher Haß auf, daß er vielleicht fähig gewesen wäre, einen der beiden zu töten: Swidrigailow oder Porfirij. Zumindest fühlte er, daß er, wenn schon nicht jetzt, so doch später dazu imstande wäre. Wir werden sehen, wir werden sehen, wiederholte er sich immer wieder.

Doch kaum hatte er die Tür zur Treppe geöffnet, als er mit Porfirij zusammenstieß. Porfirij wollte ihn gerade besu-chen. Raskolnikow war für einen Augenblick wie versteinert,

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