Leben getreten...«, dann erinnert er sich auch wieder, wie sie ihm die Erzählung von der Auferweckung des Lazarus vorgele-sen hat.

Bewußt wurde hier nicht auf den reichen Bilderschatz und auf das kaleidoskopartige Personengefüge dieses vielschichtigen Romans mit seinen wechselseitigen Spiegelungen eingegangen. Statt dessen wurden einige wenige Aspekte in erster Linie der lebens-geschichtlichen Zusammenhänge hervorgehoben. Petersburg, die Stadt der totalen Entfremdung, Symbol der Orientierung weg von Rußland und hin zu Europa, bildet die reale Kulisse, in der Dostojewskij die Geschichte vom geistigen Tod Raskolni-kows und von seiner Auferstehung ansiedelt. Er hat darin seine Ablehnung des »neuen Denkens« der westlerischen revolutionä-ren Demokraten verkörpert, mit dem er selbst eine Zeitlang sympathisiert hatte und von dem er sich erst in einem »unerbittli-chen Selbstgericht« hatte trennen müssen. Gegen die einseitige Herrschaft des »euklidischen Verstandes«, in der Dostojewskij die totale Entfremdung, die Abtrennung von den elementaren Schichten des Seins, dem »Boden« sieht, vertritt er sein Potsch-wennitschestwo, seine Vorstellung von der Bodenständigkeit, wo in der Bereitschaft zum Chaos, zum Leiden die liebende Überwindung der Kluft zwischen westeuropäischer Zivilisation und den Prinzipien des russischen Volkslebens vollzogen wird. Der damit verbundene russische Messianismus allerdings, mit dem Dostojewskij bis in die Gegenwart hinein wirkt, die Vor-stellung von der »allgemeinmenschlichen« russischen Synthese, kam erst in seinem späteren Werk zur vollen Entfaltung.

Barbara Conrad

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