über mich bringen, nicht über mich bringen! ... Warum also, warum habe ich bis jetzt ...

Er stand auf, sah sich überrascht um, als wunderte er sich darüber, wie er hierhergeraten war, und ging zur T.-Brücke. Er war blaß; seine Augen brannten; in allen seinen Gliedern spürte er Erschöpfung, aber plötzlich atmete er gleichsam leichter. Er fühlte, er hatte diese furchtbare Last, die ihn so lange niedergedrückt hatte, schon abgeworfen, und es wurde ihm mit einemmal unbeschwert und friedlich zumute. O Herr! betete er. Weise mir den richtigen Weg, und ich sage mich los von diesem verfluchten ... Traum!

Als er über die Brücke schritt, betrachtete er still und ruhig die Newa und den Untergang der blendend roten Sonne. Trotz seiner Schwäche fühlte er sich nicht mehr müde. Es war ihm, als wäre ein Geschwür in seinem Herzen, ein Ge-schwür, das ihn den ganzen Monat über gequält hatte, plötz-lich aufgebrochen. Es war die Freiheit, die Freiheit! Er war jetzt frei von solcher Verzauberung, Verlockung, Behexung, Versuchung!

Wenn er sich später dieser Zeit und all dessen, was ihm in diesen Tagen widerfahren war, Minute für Minute, Punkt für Punkt, Strich für Strich, erinnerte, erregte ihn bis zu abergläubischen Vorstellungen stets auf neue ein Umstand, der im Grunde gar nicht sehr ungewöhnlich war, der ihm aber später immer wieder als eine Art Vorausbestimmung seines Schicksals erschien.

Das war folgendes: er konnte sich nicht erklären und nicht begreifen, warum er, obgleich er erschöpft und abgespannt war und es das beste gewesen wäre, auf dem kürzesten, ge-radesten Wege nach Hause zu gehen, den Heimweg über den Heumarkt nahm, über den er gar nicht hätte zu gehen brau-chen. Der Umweg war nicht groß, aber es war ein Umweg, und er war gänzlich unnötig. Natürlich war es schon Dut-zende Male passiert, daß er nach Hause gegangen war, ohne auf die Straßen zu achten, durch die er schritt. Doch wozu, so fragte er sich später immer wieder, wozu hatte sich dieses so wichtige, für ihn so entscheidende und gleichzeitig so über-aus zufällige Zusammentreffen auf dem Heumarkt – über

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