»Was willst du?« fragte er, offenbar erstaunt darüber, daß ein so zerlumpter Kerl gar nicht daran dachte, sich vor sei-nem blitzenden Blick in nichts aufzulösen.

»Ich bin ... vorgeladen ...« antwortete Raskolnikow mühsam.

»Das ist die Sache mit der Geldforderung an den Herrn Studenten«, erklärte der Schriftführer eilig und blickte von seinen Akten auf. »Hier!« Und er schob Raskolnikow ein Heft hin und zeigte auf eine Stelle. »Lesen Sie!«

Geldforderung? Was für Geld? dachte Raskolnikow. Aber jedenfalls ist es nicht das! und er zitterte vor Freude. Plötz-lich wurde ihm furchtbar leicht zumute, unsagbar leicht. Die ganze Last war ihm von der Seele genommen.

»Und um wieviel Uhr hätten Sie laut Vorladung kommen sollen, geehrter Herr?« rief der Leutnant, der aus Gott weiß welchen Gründen immer verdrießlicher wurde. »Hier steht neun Uhr, und jetzt ist es schon zwölf!«

»Man hat mir das Schreiben erst vor einer Viertelstunde gebracht«, antwortete Raskolnikow laut und über die Schul-ter hinweg. Auch er war jetzt unversehens, und ohne daß er es erwartet hätte, zornig geworden und fand daran sogar eine Art Vergnügen. »Es ist ohnedies schon genug, daß ich trotz meinem Fieber hergekommen bin.«

»Schreien Sie gefälligst nicht!«

»Ich schreie nicht; ich rede sehr ruhig; aber Sie schreien, und ich bin Student und lasse mich nicht anschreien.«

Der Stellvertreter des Inspektors geriet in solchen Zorn, daß es ihm für einen Moment die Sprache verschlug und nur Speichelblasen von seinen Lippen spritzten. Er sprang auf.

»Schweigen Sie gefälligst! Sie befinden sich bei einer Be-hörde. Wo bleiben Ihre Manieren, Herr!«

»Auch Sie befinden sich bei einer Behörde«, rief Raskolni-kow. »Und nicht nur, daß Sie schreien; Sie rauchen sogar noch, lassen es also an Höflichkeit gegen uns alle mangeln.«

Als Raskolnikow das gesagt hatte, empfand er einen un-aussprechlichen Genuß. Mit einem Lächeln beobachtete der Schriftführer die beiden. Der hitzige Leutnant war sichtlich betroffen.

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