Blut!« antwortete Raskolnikow mit einer sonderbaren Miene; dann lächelte er, nickte und stieg die Treppe hinab.

Er ging ruhig, ohne Hast, ganz im Fieber und – ohne sich dessen bewußt zu werden – erfüllt von dem neuen, unfaß-baren Gefühl, daß plötzlich das Leben in hohen, mächtigen Wogen auf ihn zubrandete. Dieses Gefühl mochte dem Gefühl eines zum Tode Verurteilten ähneln, dem plötzlich und uner-wartet die Begnadigung verkündet wird. Auf halber Treppe überholte ihn der Priester, der auf dem Heimweg war; Ras-kolnikow machte ihm schweigend den Weg frei, nachdem er mit ihm einen wortlosen Gruß getauscht hatte. Doch als er schon die letzten Stufen hinabstieg, hörte er auf einmal hin-ter sich hastige Schritte. Jemand eilte ihm nach. Es war Polenka; sie lief hinter ihm her und rief: »Hören Sie! Hören Sie!«

Er wandte sich zu ihr um. Sie lief den letzten Treppenab-satz herunter und blieb eine Stufe über ihm stehen. Vom Hof drang trübes Licht herein. Raskolnikow sah, wie mager, aber trotzdem hübsch das Gesichtchen des Mädchens war, das ihm zulächelte und ihn kindlich-strahlend ansah. Sie war mit einem Auftrag gekommen, der ihr offenbar selber große Freude machte.

»Hören Sie; wie heißen Sie nur? Und noch etwas: wo woh-nen Sie?« fragte sie atemlos.

Er legte ihr beide Hände auf die Schultern und blickte sie glücklich an. Es tat ihm so wohl, sie anzuschauen – er wußte selbst nicht warum.

»Wer hat Sie geschickt?«

»Meine Schwester Sonja«, antwortete das Mädchen und lächelte noch freudiger.

»Ich wußte ja, daß Ihre Schwester Sonja Sie geschickt hat.«

»Mich schickt auch Mama. Als meine Schwester Sonja mir den Auftrag gab, kam Mama dazu und sagte: ,Lauf rasch, Polenka!'«

»Lieben Sie Ihre Schwester Sonja?«

»Ich liebe sie mehr als alles auf der Welt!« erwiderte Po-lenka mit einer besonderen Festigkeit, und ihr Lächeln war plötzlich ernster geworden.

- 239 -

Загрузка...