1849 im offenen Schlitten aus Petersburg abtransportiert nach Sibirien, wo er vier Jahre unter Verbrechern in der Festung Omsk zubringen mußte - eine Zeit, die er später im Epilog von Schuld und Sühne als Erlebnis Raskolnikows künstlerisch ver-werten sollte. Es waren vier grauenvolle Jahre, in denen er unter den Ketten, der Rechtlosigkeit, den entsetzlichen hygienischen Verhältnissen, der schweren Arbeit, der schlechten Ernährung und nicht zuletzt den Mitgefangenen furchtbar litt. Hier hatte er denn auch die ersten epileptischen Anfälle. Dem Bruder konnte er erst unmittelbar nach der Entlassung schreiben. Er schildert ihm seine bitteren Erfahrungen seit dem Abtransport aus Petersburg, die Etappe in Tobolsk, wo die Gefangenen von den Frauen der Dekabristen, den »Sträflingen aus der früheren Zeit«, wie Angehörige versorgt wurden (dort schenkte ihm auch N. D. Fonwisina ein Neues Testament, das Exemplar, das er in Schuld und Sühne an so zentraler Stelle beschreibt), dann das Zuchthaus Omsk, die ständige Bedrohung durch das Zusammenleben mit den anderen Strafgefangenen. Hier erfuhr er am eigenen Leib die tiefe Kluft, die die Intellektuellen vom einfachen Volk trennte, den Haß, mit dem man ihnen begegnete: »Es sind rohe, gereizte und erbitterte Menschen. Der Haß gegen den Adel ist grenzen-los; sie empfingen uns Adelige feindselig und mit Schadenfreude. Sie hätten uns am liebsten aufgefressen, wenn sie nur gekonnt hätten. Urteile übrigens selbst, in welcher Gefahr wir schweb-ten, da wir mit diesen Leuten einige Jahre lang zusammen leben, essen und schlafen mußten und dabei nicht einmal die Möglich-keit hatten, uns wegen der ständig zugefügten Beleidigungen zu beschweren. >Ihr Adeligen habt eiserne Schnäbel, ihr habt uns zerhackt. Früher, als ihr Herren wart, habt ihr das Volk gepei-nigt, jetzt, wo es euch schlecht geht, wollt ihr unsere Brüder sein<.« (22. Februar 1854) - Besonders schlimm aber war es für Dostojewskij, daß er nicht schreiben und nie allein sein konnte -nach der Zeit der totalen Isolation in der Untersuchungshaft nun dieser »gewaltsame Kommunismus«, wie er es in einem Brief charakterisierte. Und doch sieht er die Zeit nicht als verloren an: »Wenn ich nicht Rußland kennengelernt habe, so habe ich doch das russische Volk kennengelernt, so gut, wie vielleicht nicht viele es kennen.« In seinen sibirischen Heften hat er die Schick-

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