auch dann würde sie nicht einwilligen, die gesetzmäßige Kon-kubine des Herrn Luschin zu werden! Warum erklärt sie sich also jetzt einverstanden? Was steckt dahinter? Wo liegt des Rätsels Lösung? Die Sache ist klar: für sich selber, für ihr eigenes Behagen, ja, selbst um sich vom Tode zu erretten, würde sie sich nicht verkaufen, aber für einen anderen ver-kauft sie sich! Für einen lieben, vergötterten Menschen kann sie sich verkaufen! Das ist des Pudels Kern: für den Bruder, für die Mutter verkauft sie sich! Alles verkauft sie! Dafür kann sie, wenn nötig, auch ihr sittliches Gefühl unterdrük-ken, dafür ist sie bereit, ihre Freiheit, ihre Ruhe, sogar ihr Gewissen, alles, alles, auf den Trödelmarkt zu tragen. Ade, Leben, wenn nur diese geliebten Wesen glücklich werden! Nicht genug damit, legt sie sich auch eine eigene Kasuistik zurecht; sie geht bei den Jesuiten in die Schule und wird sich wohl mit der Zeit selbst beruhigen und sich einreden, es müsse so sein; es sei wirklich notwendig, denn es geschehe ja für einen guten Zweck. So ist sie eben, alles ist sonnenklar. Es ist klar, daß niemand anders dahintersteckt als Rodion Romano-witsch Raskolnikow; um ihn dreht sich alles. Natürlich, sie kann sein Glück machen, ihn sein Studium an der Universität fortsetzen lassen, ihn zum Partner in der Kanzlei machen, sein ganzes Leben auf eine sichere Grundlage stellen; viel-leicht wird er eines Tages sogar noch reich, angesehen und geehrt und ist am Ende seines Lebens gar ein berühmter Mann! Und die Mutter? Oh, es handelt sich doch um Rodja, den kostbaren Rodja, den Erstgebornen! Für einen solchen Erstgebornen muß sie auch eine solche Tochter opfern! Ach, ihr lieben, ungerechten Herzen! Für ein solches Ziel nehmen wir sogar das Los Sonjetschkas in Kauf! Sonjetschka, So-njetschka Marmeladowa, die ewige Sonjetschka, seit die Welt steht! Habt ihr beide euer Opfer, dieses Opfer völlig ermes-sen? Ist es so? Reichen eure Kräfte dazu aus? Und bringt es Nutzen? Ist es vernünftig? Weißt du, Dunjetschka, daß So-njetschkas Schicksal in keiner Weise schrecklicher ist als das deine an der Seite des Herrn Luschin? »Natürlich ist weder er noch sie besonders verliebt«, schreibt Mama. Wie aber, wenn, abgesehen von Liebe, auch von Achtung keine Rede sein kann,

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