»Eine Handlung wird bisweilen meisterhaft und überaus klug ausgeführt; der Zweck dieser Handlung jedoch und ihr Ur-sprung sind unklar, und verschiedene krankhafte Eindrücke sind an ihr schuld. Das ist wie im Traum.«

Es ist vielleicht ganz gut, daß er mich für halb verrückt hält, dachte Raskolnikow.

»So geht es hin und wieder auch Gesunden«, bemerkte Dunjetschka, die Sosimow unruhig ansah.

»Eine zutreffende Bemerkung«, antwortete der Arzt. »In diesem Sinne verhalten wir uns alle, und zwar sehr oft, wie Geistesgestörte, nur mit dem kleinen Unterschied, daß die .Kranken' doch noch ein bißchen mehr gestört sind als wir; die Grenze darf man da nicht übersehen. Allerdings: einen vollkommen harmonischen Menschen gibt es fast überhaupt nicht, das ist wahr; unter Zehntausenden, ja, vielleicht unter vielen Hunderttausenden findet man einen, und auch der ist meist ein ziemlich schwaches Exemplar ...«

Als das Wort »geistesgestört« dem Arzt, der über sein Lieb-lingsthema in Feuer geriet, auf so unvorsichtige Weise ent-schlüpfte, runzelten alle die Stirn. Raskolnikow saß da, als kümmerte er sich nicht darum; er war in Nachdenken ver-sunken, und ein seltsames Lächeln umspielte seine blassen Lippen. Er überlegte etwas.

»Nun also, was war mit diesem überfahrenen Mann? Ich habe dich unterbrochen«, rief Rasumichin schnell.

»Was?« Raskolnikow schien wieder zu sich zu kommen. »Nun ... der war ganz blutüberströmt, als ich ihn in seine Wohnung tragen half ... Übrigens habe ich da etwas Unver-zeihliches getan, Mama; ich war wohl wirklich nicht recht bei Verstand. Ich habe gestern alles Geld, das Sie mir geschickt hatten ... seiner Frau gegeben ... für das Begräbnis. Sie ist jetzt Witwe, ein schwindsüchtiges, erbarmungswürdiges Ge-schöpf ... drei hungrige kleine Waisen ... sie haben nichts im Haus ... und es ist noch eine Tochter da ... Vielleicht hätten Sie selber das Geld hergegeben, hätten Sie das ge-sehen ... Ich hatte übrigens keinerlei Recht, das zu tun, das gestehe ich, zumal da ich wußte, wie schwer Sie dieses Geld aufgebracht haben. Um zu helfen, muß man zuerst das Recht

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