»Haben Sie sie weit von hier gefunden?« fragte er.

»Ich sage Ihnen ja: sie ging vor mir her, hier auf dem Boulevard, und taumelte. Sobald sie zu der Bank kam, ließ sie sich darauf niederfallen.«

»Ach, wie schändlich es heute auf der Welt zugeht, du lie-ber Gott! Ein solches Kind und schon betrunken! Man hat sie verführt; das ist sonnenklar! Und da ist auch das Kleid zerrissen ... Ach, wieviel Laster es heutzutage gibt! ... Und wahrscheinlich ist sie aus einer guten, aber verarmten Fa-milie ... davon gibt es heute mehr als genug. Ihrem Ausse-hen nach ist sie gut erzogen, wie ein gnädiges Fräulein.« Und wieder beugte er sich über sie.

Vielleicht hatte er eben solche heranwachsenden Töchter – »wie gnädige Fräulein und gut erzogen«, mit feinem Beneh-men, die sich immer nach der Mode kleideten ...

»Die Hauptsache«, meinte Raskolnikow, »ist, daß wir sie diesem Schurken nicht überlassen! Soll denn auch er sie noch schänden? Es ist doch ganz eindeutig, was er möchte – der Kerl geht überhaupt nicht weg!«

Raskolnikow sprach laut und deutete unverblümt mit dem Finger auf den Fremden. Dieser hörte es und wollte schon wieder aufbrausen, doch besann er sich und begnügte sich mit einem geringschätzigen Blick. Dann ging er langsam ungefähr zehn Schritte weiter und blieb wieder stehen.

»Das läßt sich schon machen, daß er sie nicht kriegt«, ant-wortete der Unteroffizier nachdenklich. »Wenn uns die Dame nur sagen wollte, wohin wir sie bringen sollen, denn so ... Fräulein, he, gnädiges Fräulein!« rief er von neuem und beugte sich über sie.

Plötzlich schlug sie die Augen ganz auf, und ihr Blick war verständig, als hätte sie jetzt etwas begriffen; sie erhob sich von der Bank und ging wieder in jene Richtung, aus der sie gekommen war. »Pfui, ihr schamlosen Kerle; was belästigt ihr mich!« stieß sie hervor und wehrte abermals mit den Hän-den ab. Sie ging rasch, taumelte aber noch immer sehr. Der Geck folgte ihr, jedoch auf der anderen Straßenseite, und wandte keinen Blick von ihr.

»Machen Sie sich keine Sorgen; ich überlasse sie ihm nicht«,

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