über nach, was nach zehn Jahren oder schon vorher mit deiner Schwester sein wird! Weißt du es?

So quälte und verhöhnte er sich mit solchen Fragen, und er tat es sogar mit einem gewissen Genuß. Übrigens waren all diese Fragen nicht neu, er war nicht überrascht von ihnen; sie waren alt und quälten ihn seit langem. Schon längst peinigten sie ihn und zerrissen ihm das Herz; schon längst war in ihm all dieser Gram gekeimt, er war gewachsen, grö-ßer und größer geworden und in letzter Zeit gereift, hatte sich verdichtet und die Form einer grauenvollen, wilden, phantastischen Frage angenommen, die ihm Herz und Ver-stand zerfleischte und unabweislich Antwort heischte. Da hatte ihn der Brief der Mutter plötzlich wie ein Donner-schlag getroffen. Er erkannte, daß es nicht darum ging, sich zu grämen, nur passiv zu leiden, indem er darüber nach-grübelte, daß diese Fragen unlösbar seien, sondern daß er unbedingt etwas tun mußte, sofort, so rasch wie möglich. Was immer es auch kosten mochte, er mußte sich wenigstens zu irgend etwas entschließen oder ...

»Oder auf das Leben ganz verzichten!« schrie er plötzlich wie ein Besessener. »Gehorsam mein Schicksal auf mich neh-men, so wie es ist, ein für allemal, und alles in mir erstik-ken, auf jegliches Recht, zu handeln, zu leben und zu lieben, verzichten!«

»Verstehen Sie, lieber Herr, verstehen Sie, was das bedeu-tet, wenn man sich nirgends mehr hinwenden kann?« Diese Frage, die Marmeladow gestern gestellt hatte, fiel ihm plötz-lich ein. »Jeder Mensch muß sich doch wenigstens irgendwo-hin wenden können ...«

Plötzlich erschauerte er – ein Gedanke, den er ebenfalls gestern schon gedacht hatte, war ihm wieder in den Sinn ge-kommen. Aber er erschauerte nicht deshalb, weil ihm dieser Gedanke gekommen war. Er hatte ja gewußt, er hatte ja im voraus gefühlt, daß dieser Gedanke ihm unbedingt kommen werde, und hatte schon darauf gewartet; und dieser Gedanke war keineswegs von gestern. Doch der Unterschied lag darin, daß das alles vor einem Monat, ja sogar gestern noch ein Traum gewesen war, jetzt jedoch ... jetzt jedoch war es plötz-

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