eine kluge Frau und konnte mich folglich nur für einen laster-haften, liederlichen Menschen halten, der nicht imstande war, ernsthaft zu lieben. Aber eine kluge Frau und eine eifersüch-tige Frau sind zwei verschiedene Dinge, und das war unser ganzer Jammer. Übrigens muß man, wenn man leidenschafts-los über manche Menschen urteilen will, im voraus auf ge-wisse vorgefaßte Meinungen und auf die Gewöhnung an Leute und Gegenstände, die uns Tag für Tag umgeben, ver-zichten. Ich habe das Recht, Ihrem Urteil mehr zu vertrauen als dem irgendeines anderen Menschen. Ihnen ist vielleicht schon sehr viel Komisches und Albernes über Marfa Petrowna zu Ohren gekommen – und sie hatte wirklich einige höchst lächerliche Angewohnheiten –; aber ich will Ihnen ganz offen sagen, daß ich ihre zahllosen Kümmernisse, deren Ur-sache ich war, aufrichtig bedauere. Nun, das dürfte für eine anständige oraison funèbre, die ein überaus zärtlicher Mann seiner überaus zärtlichen Frau hält, genügen. Wenn wir strit-ten, schwieg ich zumeist und ärgerte mich nicht, und dieses Gentleman-Getue brachte mich fast immer ans Ziel; es machte Eindruck auf sie und gefiel ihr sogar; es gab Fälle, da sie auf mich geradezu stolz war. Aber Ihre Schwester war zuviel für sie. Wie hatte es nur dazu kommen können, daß sie eine so auffallende Schönheit als Gouvernante ins Haus zu nehmen wagte? Ich kann es mir nur so erklären, daß sich Marfa Petrowna, die eine leidenschaftliche, leicht zu beeindruckende Frau war, einfach in Ihre Schwester verliebte – buchstäblich verliebte. Nun ja, Awdotja Romanowna! Ich erkannte schon auf den ersten Blick, daß die Sache schiefgehen würde, und meinen Sie wohl? – ich beschloß sofort, sie überhaupt nicht anzusehen. Aber Awdotja Romanowna tat selbst den ersten Schritt, ob Sie es glauben oder nicht. Und auch das kön-nen Sie mir glauben oder nicht: Marfa Petrowna ging so weit, daß sie anfangs sogar böse auf mich war, weil ich über Ihre Schwester nie ein Wort verlor und weil ich auf ihre ständi-gen verliebten Äußerungen über Awdotja Romanowna über-haupt nicht einging. Ich verstehe selbst nicht, was sie eigent-lich wollte! Natürlich erzählte sie Awdotja Romanowna bis in die kleinsten Einzelheiten alles über mich; sie hatte die un-

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