der Überzeugung gekommen, daß sein Verdacht, wenigstens in diesem Augenblick, nicht gerechtfertigt war. Ohne ein Wort zu antworten, drehte er sich um und ging in Richtung des Heumarktes zurück. Hätte er sich unterwegs auch nur ein ein-ziges Mal umgeblickt, er hätte sehen können, wie Swidrigailow, nachdem er höchstens hundert Schritt weit gefahren war, den Kutscher bezahlte, ausstieg und schon wieder auf dem Bür-gersteig stand. Doch Raskolnikow konnte nichts mehr sehen und war schon um die Ecke gebogen. Tiefer Abscheu trieb ihn von Swidrigailow weg. »Wie konnte ich auch nur einen Augenblick lang irgend etwas von diesem brutalen Kerl er-warten, von diesem lüsternen Wüstling und Schurken!« rief er unwillkürlich aus. Freilich war Raskolnikows Urteil allzu vorschnell und leichtfertig. Im ganzen Wesen Swidrigai-lows lag etwas, das diesem Mann zumindest eine gewisse Ori-ginalität, wenn nicht sogar etwas Geheimnisvolles verlieh. Was aber Awdotja Romanowna betraf, so hegte Raskolnikow dennoch die feste Überzeugung, daß Swidrigailow sie nicht in Ruhe lassen werde. Doch es ging über seine Kräfte, immer und immer wieder die gleichen Überlegungen anzustellen.

Nach seiner Gewohnheit verfiel er, sobald er allein war, schon nach zwanzig Schritt in tiefes Grübeln. Als er auf eine Brücke kam, blieb er am Geländer stehen und starrte ins Wasser hinunter. Plötzlich stand Awdotja Romanowna hin-ter ihm.

Er war ihr schon am Anfang der Brücke begegnet, aber an ihr vorübergegangen, ohne sie zu bemerken. Dunjetschka hatte ihn noch nie in diesem Zustand auf der Straße erblickt und war zutiefst, bis zum Entsetzen, erschüttert. Sie blieb stehen und wußte nicht, ob sie ihn anreden sollte oder nicht. Plötzlich bemerkte sie Swidrigailow, der vom Heumarkt her eilig auf sie zusteuerte.

Aber es sah so aus, als näherte er sich ihr nur heimlich und unter Beobachtung größter Vorsicht. Er betrat die Brücke gar nicht erst, sondern blieb an der Seite auf dem Gehsteig stehen und gab sich die größte Mühe, von Raskolnikow nicht gesehen zu werden. Er hatte Dunja schon längst bemerkt und machte ihr Zeichen. Sie hatte den Eindruck, als wollte er sie

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