Sonja durchzuckte der Gedanke: Ist er am Ende wahn-sinnig? Aber sogleich ließ sie ihn wieder fallen: Nein, es ist etwas anderes. Nichts begriff sie von all dem, nichts!

»Weißt du, Sonja«, sagte er plötzlich wie in einer Ein-gebung, »weißt du, was ich dir sagen will: hätte ich sie nur deshalb umgebracht, weil ich Hunger litt«, fuhr er fort, wobei er jedes Wort nachdrücklich betonte und sie rätselhaft, aber aufrichtig ansah, »ich wäre jetzt ... glücklich! Das mußt du wissen! Und was hast du davon, was hast du davon«, rief er nach einem Augenblick geradezu verzweifelt, »was hast du davon, wenn ich dir jetzt gestehe, ich hätte schlecht gehandelt? Nun, was hättest du von diesem dummen Triumph über mich? Ach, Sonja, bin ich etwa deswegen jetzt zu dir gekommen?«

Sonja wollte abermals etwas sagen, schwieg jedoch.

»Deshalb habe ich gestern zu dir gesagt, du sollst mit mir gehen; denn du bist der einzige Mensch, den ich noch habe.«

»Wohin soll ich mit dir gehen?« fragte Sonja schüchtern.

»Nicht um zu stehlen und um zu morden, sei ganz ohne Sorge, nicht deshalb«, sagte er mit bitterem Lächeln. »Wir sind Menschen zu verschiedener Art ... Weißt du, Sonja, ich habe doch erst heute, erst jetzt erkannt, wohin du mit mir gehen sollst! Als ich das gestern zu dir sagte, wußte ich selbst noch nicht wohin. Aus einem einzigen Grunde habe ich dich ge-rufen, aus einem einzigen Grund bin ich gekommen: verlaß mich nicht. Bleibst du bei mir, Sonja?«

Sie drückte ihm fest die Hand.

»Ach, weshalb, weshalb nur habe ich es ihr gesagt, weshalb es ihr gestanden?« rief er nach einer Weile verzweifelt und blickte sie in grenzenlosem Leid an. »Da wartest du, daß ich dir alles erkläre, Sonja; da sitzt du und wartest, ich sehe es ...! Und was kann ich dir sagen? Du verstehst doch nichts davon, sondern wirst nur furchtbar leiden, meinetwegen leiden! Nun weinst du und umarmst mich abermals – weshalb umarmst du mich? Weil ich es selbst nicht mehr ertragen konnte und gekommen bin, alles auf einen anderen abzuwälzen: Leide auch du, dann wird mir leichter sein! ... Kannst du denn einen solchen Schurken lieben?«

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