stehe mit dem Säbel in der Faust – Allah befiehlt, und du gehorche, »bebendes« Geschöpf! Recht hat er, der »Prophet«, recht hat er, wenn er irgendwo eine stattliche Batterie quer über die Straße auffahren und auf Schuldige und Unschuldige schießen läßt, ohne sie auch nur einer Erklärung zu würdigen! Gehorche, bebendes Geschöpf, und – wünsche nicht; denn das ist nicht deine Sache! ... Oh, um keinen Preis, um keinen Preis der Welt werde ich das dem alten Weib verzeihen!

Sein Haar klebte von Schweiß; seine zitternden Lippen waren heiß und trocken; sein starrer Blick war auf die Zim-merdecke gerichtet.

Meine Mutter, meine Schwester, wie sehr habe ich euch geliebt! Warum hasse ich euch jetzt? Ja, ich hasse sie, ich hasse sie körperlich; ich kann sie nicht in meiner Nähe ertragen ... Vorhin ging ich zu meiner Mutter und küßte sie, ich erinnere mich ... Sie zu umarmen und zu denken, wenn sie es er-führe ... Hätte ich es ihr vielleicht... sagen sollen? Das sähe mir ähnlich ... hm! Sie muß ebenso gewesen sein wie ich, setzte er hinzu, während er mit Mühe nachdachte, als kämpf-te er mit den Fieberphantasien, die ihn packten. Oh, wie ich jetzt das alte Weib hasse! Ich würde sie wohl ein zweitesmal erschlagen, wenn sie wieder zum Leben erwachte! Arme Lisa-weta! Weshalb ist sie gerade dazugekommen ... Sonderbar übrigens, daß ich fast gar nicht an sie denke, als hätte ich sie nicht umgebracht! ... Lisaweta! Sonja! Ihr armen, sanften Geschöpfe mit euren sanften Augen ... Die Lieben! ... War-um weinen sie nicht? Warum stöhnen sie nicht? ... Sie geben alles her ... sie blicken sanft und still ... Sonja, Sonja! Stille Sonja! ...

Er sank in Vergessen; es kam ihm merkwürdig vor, daß er sich später nicht entsinnen konnte, wie er wieder auf die Straße gelangt war. Es war schon spät am Abend. Das Dunkel wurde dichter; der Vollmond strahlte heller und heller, aber in der Luft lag eine drückende Schwüle. Menschen liefen in Scharen durch die Straßen; Handwerker und Arbeiter wa-ren auf dem Heimweg; andere gingen nur spazieren; es roch nach Kalk, nach Staub, nach stehendem Wasser. Raskolni-kow ging traurig und sorgenerfüllt seines Weges; er entsann

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