soll Luschin am Leben bleiben und Schurkereien begehen, oder soll Katerina Iwanowna sterben — wie hätten Sie sich dann entschieden? wer hätte sterben sollen? Das möchte ich von Ihnen wissen.«

Sonja blickte ihn unruhig an; aus seiner stockenden Rede, mit der er sich an irgend etwas heranzutasten schien, hatte sie einen besonderen Klang herauszuhören vermeint.

„Ich habe schon geahnt, daß Sie mich etwas Derartiges fragen würden«, sagte sie schließlich und blickte ihn forschend an.

»Schön, das mag sein; aber immerhin: wie würden Sie hier entscheiden?«

»Weshalb fragen Sie nach Dingen, die unmöglich geschehen können?« fragte Sonja widerwillig.

»Wäre es also besser, wenn Luschin am Leben bliebe und Schurkereien beginge? Wagen Sie auch diese Fragen nicht zu beantworten?«

»Aber ich kenne doch die göttliche Vorsehung nicht ... Und weshalb fragen Sie Dinge, die man nicht fragen darf? Wozu so törichte Fragen? Wie wäre es möglich, daß das von meiner Entscheidung abhinge? Und wer hätte mich hier zum Richter darüber gesetzt, wer leben soll und wer nicht?«

»Sobald die göttliche Vorsehung ins Spiel kommt, kann man nichts mehr machen«, erklärte Raskolnikow mißmutig.

»Sagen Sie lieber geradeheraus, was Sie wollen!« rief Sonja gequält. »Sie wollen wieder auf irgend etwas hinaus ... Sind Sie denn wirklich nur gekommen, um mich zu quälen?«

Sie konnte sich nicht mehr beherrschen und fing plötzlich bitter zu weinen an. In düsterer Melancholie betrachtete er sie. Etwa fünf Minuten verstrichen.

»Du hast recht, Sonja«, sagte er endlich leise. Plötzlich war eine Veränderung mit ihm vorgegangen; sein gemacht drei-ster und kraftlos herausfordernder Ton war verschwunden. Sogar seine Stimme klang mit einemmal müde. »Ich habe dir gestern selbst gesagt, daß ich nicht kommen würde, dich um Verzeihung zu bitten, und jetzt habe ich beinahe damit ange-fangen, daß ich dich um Verzeihung bitte ... Mit all dem, was ich über Luschin und den Willen Gottes sagte, habe ich

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