wies in seinem Brief an Katkow darauf hin, daß »die Handlung in der Gegenwart« spiele, »im laufenden Jahr«. Sie spielt aber nicht im »Paradies« Peters des Großen, im Petersburg der Schlösser und Paläste, in der großzügig gebauten, eleganten Hauptstadt des russischen Reichs, diesem »Venedig des Nordens« – nein, sie spielt in »Europas am schnellsten expandierender Industrie-stadt«, in den Hinterhöfen des Lebens, den Vierteln, wo die Unterprivilegierten lebten, die Kleinbürger und Händler, die Arbeiter und Handwerker und vor allem die vielen Menschen, die von überall aus dem Reich in die Stadt strömten in der Hoffnung auf raschen Verdienst und die hier strandeten. Das wachsende Elend der Großstadt, der moralische Verfall ihrer Bewohner, Schmutz und Gestank, Alkohol und Prostitution, die steigende Kriminalität – das ist die Szenerie für die Ge-schichte des Studenten Raskolnikow und seine Idee.

Den Stadtteil Petersburgs um den Heumarkt, wo Raskolni-kow sein Zimmer hatte, kannte Dostojewskij sehr gut, hat er doch selbst dort eine Zeitlang in den vierziger Jahren und von 1864-1867 gewohnt. Die Straßennamen, die Brücken und Plätze, die im Roman nur mit Anfangsbuchstaben bezeichnet werden, lassen sich leicht erschließen. Der Vergleich mit alten Plänen und Adreßbüchern, wie er für die Kommentare der kritischen Ausgabe immer wieder angestellt wurde, zeigt, daß Dostojewskij diese Gegend mit nahezu photographischer Ge-nauigkeit beschrieben hat. Und das ist ihm auch wichtig, jeden Weg seiner Protagonisten benennt er mit allen Straßennamen, so daß der Ortskundige ihn problemlos nachvollziehen kann – damit wird das Geschehen für den Leser konkret, es rückt aus fiktionaler Beliebigkeit in die reale, alltäglich erlebte Umwelt. Dieser besondere Realitätsbezug wird auf den verschiedensten Ebenen immer wieder hergestellt.

So war etwa 1865 ein heißer Sommer (was die Zeitungen von damals bestätigen), zur drückenden Hitze kam vor allem in den Armenvierteln der Gestank aus den zahlreichen Kanälen und Wasserläufen, der Schmutz der Straßen, der Staub durch die Trockenheit, aber auch Kalk und Mörtel von den Baustellen. Im Roman werden diese Phänomene immer wieder benannt: »An-fang Juli, an einem ungewöhnlich heißen Tag...« (S. 7); oder:

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