»Einen Priester!« wiederholte der Sterbende nach einem minutenlangen Schweigen.
»Wir lassen schon einen holen!« rief ihm Katerina Iwanow-na laut zu, und er verstummte. Sein schüchterner, beküm-merter Blick suchte sie; sie hatte sich ihm wieder zugewandt und war an das Kopfende seines Lagers getreten. Er beru-higte sich ein wenig, aber nicht für lange. Bald blieb sein Blick auf der kleinen Lidotschka, seinem Liebling, haften, die zit-ternd wie in einem Fieberanfall in der Ecke stand und ihn mit ihren erstaunten, kindlich aufmerksamen Augen ansah.
»Ah ... ah ...!« stöhnte er und zeigte unruhig auf sie.
»Was ist denn?« fragte Katerina Iwanowna.
»Barfuß! Barfuß!« murmelte er, während er einen ver-störten Blick auf die nackten Füße des kleinen Mädchens warf.
»Halt den Mund!« schrie Katerina Iwanowna gereizt. »Du weißt ja selbst, warum sie barfuß ist!«
»Gottlob, der Arzt!« rief Raskolnikow erfreut.
Der Arzt trat ein, ein adrettes altes Männchen, ein Deut-scher; er sah sich mißtrauisch um, ging zu dem Kranken, fühlte ihm den Puls, betastete ihm aufmerksam den Kopf und knöpfte mit Katerina Iwanownas Hilfe das von Blut ganz durchtränkte Hemd auf, um die Brust des Patienten freizumachen. Die ganze Brust Marmeladows war eingedrückt, gequetscht und aufgerissen; einige Rippen auf der rechten Seite waren gebrochen. Links, gerade über dem Herzen, sah man einen großen, gelblich-schwarzen, unheimlichen Fleck, den harten Tritt eines Hufes. Der Doktor runzelte die Stirn. Der Polizist erzählte ihm, daß der Verletzte von einem Rad erfaßt und etwa dreißig Schritt weit über das Pflaster ge-schleift worden sei.
»Erstaunlich, daß er noch einmal zu sich gekommen ist«, flüsterte der Arzt Raskolnikow zu.
»Was halten Sie davon?« fragte der.
»Er macht's nicht mehr lange.«
»Besteht wirklich keine Hoffnung mehr?«
»Nicht die geringste! Er liegt im Sterben ... Außerdem ist er auch am Kopf lebensgefährlich verletzt ... Hm! ...