den eigenen Willen genötigt war, diesen – natürlich grau-samen, aber trotzdem gerechten – Verdacht zu fassen! Ich will hinzufügen und wiederholen: trotz meiner felsenfesten Überzeugung weiß ich, daß meine jetzige Anschuldigung für mich mit einem gewissen Risiko verbunden ist. Aber wie Sie sehen, lasse ich die Sache nicht auf sich beruhen; ich greife sie auf und werde Ihnen auch sagen warum: einzig und allein Ihrer so schwarzen Undankbarkeit wegen, mein liebes Fräu-lein! Wie? Ich fordere Sie auf, im Interesse Ihrer so unglück-lichen Verwandten zu mir zu kommen, ich gebe Ihnen ein meinen Kräften angemessenes Geschenk von zehn Rubel, und Sie vergelten mir das alles, ohne auch nur zu zögern, durch ein solches Vorgehen? Nein, meine Dame, das ist wahrhaftig nicht schön! Das hat eine Lektion verdient! Überlegen Sie; mehr noch, als Ihr wahrer Freund bitte ich Sie – denn einen besseren Freund können Sie in diesem Augenblick nicht ha-ben! –: kommen Sie zur Besinnung! Sonst werde ich uner-bittlich sein! Also?«

»Ich habe Ihnen nichts genommen«, flüsterte Sonja ent-setzt. »Sie gaben mir zehn Rubel, da, nehmen Sie sie wieder.« Sonja zog das Tuch aus der Tasche, suchte den Knoten, band ihn auf, holte den Zehnrubelschein heraus und reichte ihn Luschin.

»Und zu den übrigen hundert Rubel bekennen Sie sich nicht?« erwiderte er vorwurfsvoll und hartnäckig, ohne den Zehnrubelschein anzurühren.

Sonja sah sich um. Alle starrten sie mit furchtbaren, stren-gen, höhnischen, haßerfüllten Gesichtern an. Sie schaute zu Raskolnikow ... der stand mit gekreuzten Armen an der Wand und betrachtete sie mit loderndem Blick.

»O mein Herr und Gott!« entrang es sich ihr.

»Amalja Iwanowna, man wird die Polizei verständigen müssen, und darum bitte ich Sie ganz ergebenst, schicken Sie vorläufig nach dem Hausknecht«, sagte Luschin leise und ge-radezu freundlich.

»Gott der Barmherzige! Ich weiß ja, daß sie stehlen!« rief Amalja Iwanowna und rang die Hände.

»Sie wußten das?« fiel Luschin ein. »Offenbar haben Sie

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