Dunja einst mit seinen Anträgen verfolgt. Und vielleicht hatte er auch jetzt noch Absichten auf sie? Man konnte diese Frage fast mit Sicherheit bejahen. War es da nicht mög-lich, daß er jetzt, nachdem er Raskolnikows Geheimnis ent-deckt und so eine gewisse Macht über ihn gewonnen hatte – daß er diese seine Macht jetzt als Waffe gegen Dunja ver-wendete?
Dieser Gedanke verfolgte Raskolnikow bisweilen bis in den Schlaf, aber noch nie war er ihm mit so brennender Klarheit zu Bewußtsein gekommen wie jetzt, da er sich auf dem Wege zu Swidrigailow befand. Diese Vorstellung versetzte ihn in blinde Wut. Wenn seine Vermutung zutraf, dann änderte das seine ganze Lage, und er mußte unverzüglich Dunja sein Geheimnis offenbaren. Vielleicht mußte er sich sogar selbst stellen, um Dunjetschka von irgendeinem unvorsichtigen Schritt abzuhalten. Der Brief? Heute vormittag hatte Dunja einen Brief erhalten. Von wem konnte sie hier in Petersburg Briefe bekommen? Am Ende von Luschin? Freilich, Rasumi-chin paßte auf sie auf; doch Rasumichin wußte ja nichts. Vielleicht sollte er sich auch Rasumichin anvertrauen? Raskol-nikow wies diese Möglichkeit voll Abscheu von sich.
Jedenfalls galt es, Swidrigailow möglichst rasch zu spre-chen – zu diesem endgültigen Schluß war er mittlerweile gekommen. Gottlob waren, was das anging, die Einzelheiten nicht so wichtig wie vielmehr die Sache selbst; aber wenn er, wenn er es nur fertigbrachte ... Falls Swidrigailow irgend etwas gegen Dunja im Schilde führte, dann ...
Raskolnikow hatte die letzte Zeit, der ganze vergangene Monat, so erschöpft, daß er solche Fragen jetzt nicht mehr anders lösen konnte als durch den einzigen Entschluß: Dann bringe ich ihn um. Er faßte diesen Vorsatz in kalter Ver-zweiflung. Ein drückendes Gefühl preßte ihm das Herz zu-sammen; er blieb mitten auf der Straße stehen und sah sich um, wo er denn gehe und wohin er geraten sei. Er befand sich auf dem A.-Prospekt, etwa dreißig oder vierzig Schritt vom Heumarkt entfernt, den er bereits überquert hatte. Das ganze erste Stockwerk eines Hauses zu seiner linken Seite wurde von einem Gasthaus eingenommen. Alle Fenster stan-