Träume ich denn noch immer? dachte Raskolnikow noch einmal. Vorsichtig und ungläubig musterte er den unerwar-teten Besucher.
»Swidrigailow? Was für ein Unsinn! Das kann nicht sein!« erwiderte er schließlich staunend.
Der Gast schien sich über diesen Ausruf keineswegs zu verwundern.
»Ich bin aus zwei Gründen zu Ihnen gekommen. Erstens möchte ich gern persönlich mit Ihnen bekannt werden, da ich schon längst höchst interessante und für Sie vorteilhafte Dinge von Ihnen gehört habe; und zweitens hoffe ich, daß Sie mir nicht Ihre Hilfe bei einem Unternehmen versagen, das un-mittelbar die Interessen Ihrer lieben Schwester Awdotja Ro-manowna betrifft. Mich allein wird sie ohne Empfehlung wahrscheinlich nicht einmal in ihr Haus einlassen, infolge ihrer Vorurteile; aber wenn Sie mir Ihre Hilfe leihen, rechne ich im Gegenteil damit, daß ...«
»Da rechnen Sie falsch«, fiel ihm Raskolnikow ins Wort.
»Die Damen sind doch erst gestern angekommen, wenn Sie die Frage gestatten?«
Raskolnikow antwortete nicht.
»Gestern, das weiß ich. Ich selber bin ja erst seit vorge-stern hier. Nun, was soll ich Ihnen, Rodion Romanowitsch, zu der ganzen Geschichte sagen? Ich halte es für überflüssig, mich zu rechtfertigen; aber eine Bemerkung müssen Sie mir gestatten: was ist an all dem nun eigentlich so besonders verbrecherisch von meiner Seite, das heißt, wenn man die Sache unbefangen und mit ruhiger Vernunft ansieht?«
Raskolnikow maß ihn weiterhin schweigend mit seinen Blicken.
»Daß ich in meinem Hause ein schutzloses Mädchen ver-folgt und ,mit abscheulichen Anträgen beleidigt' habe – nicht
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