Arbeit auch nach einem Monat noch nicht fertiggestellt, im Gegenteil: Er mußte schließlich erkennen, daß sein Stoff für eine Erzählung zu komplex war, sich nicht auf »fünf bis sechs Druck-bögen« zusammendrängen ließ. Ende November 1865 verwarf er alles bis dahin Geschriebene. »Ich verbrannte alles, jetzt kann ich es zugeben. Es gefiel mir selbst nicht mehr. Eine neue Form, ein neuer Plan begeisterte mich und ich begann von vorn«, gestand er später einem Freund. Und so setzte er noch einmal völlig neu an und schrieb allen Widrigkeiten seiner zerrütteten Gesundheit, der sich häufenden epileptischen Anfälle zum Trotz mit bewunderungswürdiger Konzentration nunmehr keine Er-zählung, sondern einen großen Roman – mit einem Umfang von zweiundfünfzig Druckbögen! –, wovon die ersten Kapitel be-reits Mitte Dezember 1865 an den Russkij Wjestnik gingen. Von der Januarausgabe der Zeitschrift an erschien der Roman Schuld und Sühne fortlaufend mit wenigen Unterbrechungen bis De-zember 1866.

In einem ständigen Wettlauf mit der Zeit, einem permanenten Überlebenskampf, ist dieses Werk entstanden – »und dabei wird diese Erzählung, die ich jetzt schreibe, vielleicht das beste, was ich je geschrieben habe...« Gleich die ersten Teile des Romans hatten großen Erfolg beim Publikum, in der ersten Rezension (Golos, 17.Februar 1866) heißt es: »...der Roman verspricht, ein Hauptwerk des Autors der Aufzeichnungen aus einem toten Hause zu werden...«. In der Tat, mit Schuld und Sühne hat Dostojewskij »ein Hauptwerk« geschrieben, einen der großen Romane der Weltliteratur, und was seine literarische Nachwir-kung anbetrifft, sicherlich auch einen der einflußreichsten der russischen Literatur. 1867 erschien der Roman in einer revidier-ten und 1877 in der endgültigen Buchfassung.

Allerdings gab es nicht nur einhellige Zustimmung. Vor allem in der Presse der revolutionären Demokraten erkannte man in Schuld und Sühne nicht zu Unrecht einen Angriff auf die »fort-schrittlichen« Studenten und reagierte äußerst empfindlich. Ein Rezensent hielt dem Autor den Schriftsteller Turgenjew vor, der sich in seinem Roman Väter und Söhne ja auch mit den »Unzu-länglichkeiten« der jungen Generation befasse, »aber doch nicht mit so schmutzigen Unterstellungen!« Dostojewskij sage zwar

- 730 -


Загрузка...