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Wenn sich Raskolnikow später dieses Augenblickes ent-sann, stellte sich ihm alles in folgender Form dar: Der Lärm, der hinter der Tür zu hören gewesen war, wurde plötzlich stärker, und die Tür öffnete sich einen Spalt weit.

»Was gibt es denn?« rief Porfirij Petrowitsch ärgerlich. »Ich habe mir doch jede Störung ...«

Er bekam nicht gleich Antwort, aber man merkte, daß vor der Tür mehrere Leute standen, und es schien, als ob sie je-manden zurückhielten.

»Was gibt es denn eigentlich?« fragte Porfirij Petrowitsch beunruhigt.

»Man hat einen Häftling gebracht, Nikolaj«, entgegnete jemand.

»Den kann ich jetzt nicht brauchen! Fort mit ihm! Er soll warten! ... Was will er denn hier? Was für eine Wirtschaft ist das bloß!« rief Porfirij und stürzte zur Tür.

»Aber er ...« erwiderte dieselbe Stimme wie vorhin und verstummte plötzlich.

Für zwei Sekunden, nicht länger, schien ein richtiges Hand-gemenge stattzufinden; dann war es plötzlich, als ob jemand einen anderen mit Gewalt zurückstieße, und schließlich tau-melte ein sehr blasser Mensch in Porfirij Petrowitschs Arbeitszimmer.

Er wirkte auf den ersten Blick recht eigenartig. Er starrte vor sich hin, aber so, als ob er niemanden sähe. In seinen Augen glühte Entschlossenheit, doch zugleich war sein Gesicht von tödlicher Blässe überzogen, als ob man ihn zur Hin-richtung führte. Seine kalkweißen Lippen zitterten leicht.

Er war noch sehr jung, gekleidet wie ein einfacher Mann aus dem Volke, von mittlerer Statur, ziemlich mager, mit rund geschnittenem Haar und mit feinem, gleichsam ausge-trocknetem Gesicht. Der Mann, den er so unerwartet zurück-gestoßen hatte, lief als erster hinter ihm ins Zimmer und konnte ihn an der Schulter packen – es war ein Begleitsoldat; aber Nikolaj riß seinen Arm zurück und machte sich noch einmal von ihm los.

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