wie sich Dunja bei ihrer ersten Begegnung in Raskolnikows Wohnung so aufmerksam und achtungsvoll vor ihr verneigt hatte, hatte sich für immer Sonjas Seele eingeprägt als das Schönste und Unbegreiflichste, das ihr in ihrem Leben je widerfahren war.
Dunja hielt es schließlich nicht mehr aus und verließ Sonja, um den Bruder in dessen Wohnung zu erwarten; sie dachte, daß er zunächst dorthin gehen werde. Sobald Sonja allein war, begann sie sich mit dem schrecklichen Gedanken zu quälen, daß er vielleicht wirklich Selbstmord begangen haben könnte. Das hatte auch Dunja befürchtet. Aber beide hatten einander den ganzen Tag lang um die Wette mit allen Argumenten davon zu überzeugen gesucht, daß das gar nicht möglich sein konnte, und solange sie beisammen waren, fühlten sie sich ruhiger. Jetzt jedoch begannen beide, kaum daß sie sich ge-trennt hatten, nur an dieses eine zu denken. Sonja erinnerte sich, wie Swidrigailow gestern zu ihr gesagt hatte, Raskol-nikow stünden nur noch zwei Wege offen: die Wladimirka oder ... Außerdem kannte sie seinen hochfahrenden Stolz, seine Eitelkeit und seinen Unglauben.
Können ihn denn wirklich nur Kleinmut und die Angst vor dem Tode dazu bewegen, am Leben zu bleiben? fragte sie sich zuletzt verzweifelt. Unterdessen begann die Sonne zu sinken. Traurig stand Sonja am Fenster und blickte, ohne eine Bewegung zu machen, hinaus – aber von ihrem Fenster aus war nur die ungetünchte Brandmauer des Nachbarhauses zu sehen. Endlich, als sie fast schon völlig vom Tode des Un-glücklichen überzeugt war, trat er ins Zimmer.
Ein freudiger Schrei entrang sich ihrer Brust. Doch als sie ihm aufmerksam ins Gesicht sah, wurde sie plötzlich blaß.
»Nun ja«, sagte Raskolnikow lächelnd, »ich komme, um mir dein Kreuz zu holen, Sonja. Du selbst hast mich damals auf den Kreuzweg geschickt; hast du etwa jetzt, da es so weit ist, den Mut verloren?«
Sonja blickte ihn verwundert an. Sein Ton berührte sie seltsam; ein Kälteschauer lief ihr über den Rücken, doch so-gleich erriet sie, daß sowohl sein Ton wie seine Worte nur